Das musst du über Scheinselbstständigkeit wissen
Du möchtest dich selbstständig machen, bist bereits als Kleinunternehmer tätig, hast ein Kleingewerbe oder wurdest gefragt, ob du an einer freien Mitarbeit interessiert bist und hast dich in diesem Zusammenhang gefragt, wann eine Scheinselbstständigkeit vorliegt? Wir klären auf!
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Der „Schein“ bei einer Scheinselbständigkeit besteht also darin, dass ein Erwerbstätiger „echte Selbständigkeit“ vortäuscht, obwohl er nach Art seiner Tätigkeit ein sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter ist. Bei Scheinselbständigen handelt es sich also mitnichten um eine bestimmte Gruppe von Beschäftigten oder Selbständigen in bestimmten Branchen, sondern um solche Erwerbstätige, die zwar einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen und sich somit in einem festen Arbeitsverhältnis befinden, aber die sich das Mäntelchen einer selbständigen Tätigkeit umhängen, um der Versicherungspflicht zu entgehen. Da durch den Arbeitgeber keine Sozialabgaben und Lohnsteuern entrichtet werden, liegt bei Scheinselbständigkeit eine Form von Schwarzarbeit vor und ist laut Gesetz verboten.
Informationen zur Scheinselbstständigkeit solltest du zum einen für dich selbst wissen, wenn du dich selbstständig machst – ob hauptberuflich oder auch mit einer Nebentätigkeit bspw. mit einem Nebengewerbe –, und zum anderen, wenn du andere für dich arbeiten lässt. Lies gleich weiter, um alles zum Thema Scheinselbständigkeit und wie du diese umgehen kannst, zu erfahren.
In welchen Berufen ist Scheinselbständigkeit besonders häufig ein Thema?
Grundsätzlich sind von Scheinselbständigkeit häufig solche Personen betroffen, die lange Zeiten von Arbeitslosigkeit und über einen längeren Zeitraum keine Beschäftigung aufweisen sowie über geringe Erwerbserfahrungen verfügen. Aber längst sind nicht mehr nur Geringqualifizierte der Scheinselbständigkeit ausgesetzt, sondern auch sehr hoch Qualifizierte wie z.B. Honorarärzte oder beratende Berufe, zum Beispiel IT-Berater. Besonders häufig kommt hier Scheinselbständigkeit vor:
a) Berufsgruppen:
- Freiberufler, freie Mitarbeitende, Freelancer
- Berater, Coaches
- Lehrkräfte, Dozent
- Kurierfahrer, z.B. auch Fahrradkuriere
- Reinigungspersonal
- Webworker, z.B. Web- und Grafikdesigner, Texter, Programmierer
- Honorarärzte, Pflegepersonal (Kranken-, Altenpfleger), Heilberufler
b) Branchen:
- Baugewerbe
- Reinigungsgewerbe
- Transport- und Speditionsgewerbe
- Gastronomie
- Medienindustrie (Film, Fernsehen, Radio, Printmedien)
- Gesundheitsbranche
- Digital-, Onlinebranche
- IT-Branche
Diese Aufzählung ist nicht abschließend und es kommen auch noch Drittmerkmale wie beispielsweise Migrationshintergrund oder Geschlecht hinzu. Denn häufig betroffen von Scheinselbständigkeit sind Migranten und Frauen. Zudem haben jüngere Menschen ein höheres Risiko, scheinselbständig tätig zu sein als ältere, weil ihnen schlichtweg die Erfahrung fehlt, da diese meist noch nie oder selten einer Beschäftigung nachgegangen sind.
So erkennst du, ob du scheinselbstständig bist
Scheinselbständigkeit ist dadurch gekennzeichnet, dass du als Auftragnehmer weisungsgebunden bist, d.h. nicht eigenständig entscheiden kannst über z.B.
- deine Arbeitszeit
- den Arbeitsort, an dem du für deinen Auftraggeber tätig bist
- die Art und Weise der Ausübung deiner selbständigen Tätigkeit, also beispielsweise die Erledigung deiner Aufgaben
Wenn du also nicht selbst entscheiden kannst, sondern dein Auftraggeber Weisungen gibt und festlegt, dass du
- vor Ort in den Büro-, Geschäfts- oder Produktionsräumen tätig sein und deiner Beschäftigung nachgehen musst, anstatt in deinem eigenen Büro bzw. nicht frei disponieren kannst, wann du beim Auftraggeber tätig bist und wann nicht.
- Urlaub bzw. Abwesenheiten mit internen Mitarbeiter oder Projektleiter abstimmen musst, bevor du ihn antrittst bzw. abwesend bist.
- bestimmte Arbeitsmittel (Laptop oder PC des Auftraggebers, auch mit bestimmter Software) einsetzen oder Dienstkleidung des Auftraggebers tragen musst.
- organisatorisch in den Betrieb des Auftraggebers oder der Auftraggebern integriert bist, z.B. durch eine E-Mail-Adresse des Arbeitgebers, oder eine Chipkarte bekommen hast zur Zutrittsberechtigung im Gebäude, mit der zugleich in der Betriebskantine Essen wie für Mitarbeitende erhältlich für dich ist.
- umfangreiche Berichts- und Reportingpflichten hast, ähnlich derer von fest angestellten Mitarbeitenden (insbesondere Dokumentationspflichten zu Arbeitszeiten und -ergebnissen).
- auch bei krankheitsbedingter Abwesenheit einen Vergütungsanspruch hast.
- einen Urlaubsanspruch hast.
- eine unabhängig von deiner Arbeitsleistung oder den erbrachten Arbeitsergebnissen monatliche Vergütung erhältst.
Das sind alles Indizien gegen eine „echte Selbständigkeit“ und somit für eine Scheinselbständigkeit. Weiterhin maßgeblich für diese in Abgrenzung zu „echter Selbständigkeit“ ist, dass du kein unternehmerisches Risiko trägst. Dies zeigt sich beispielsweise in einem Urlaubsanspruch oder einem Vergütungsanspruch auch im Krankheitsfall und schließlich in der monatlichen Vergütung. Wenn du also jeden Monat vergütet wirst, ohne dass du hierfür vorher konkret definierte Ergebnisse liefern musst, dann besteht für dich kein unternehmerisches Risiko. Das ist aber ein Hauptmerkmal von Selbständigkeit.
Diese Aufzählung ist weder vollständig noch abschließend und es kommt immer auf den Einzelfall, ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, also betrachte deine konkreten Umstände in der Gesamtschau. Genau diese wird im Statusfeststellungsverfahren ermittelt bzw. geprüft.
Checkliste: Scheinselbständig – ja oder nein?
Wie du schon erfahren hast, ist Scheinselbständigkeit eine komplexe Materie, die immer am konkreten Einzelfall zu beurteilen ist. Es gibt jedoch Kriterien, die für einen allerersten und allgemeinen Check herangezogen werden können.
Indizien, die für eine Scheinselbständigkeit sprechen:
- Du arbeitest überwiegend oder sogar ausschließlich in den Räumen deines Arbeitgebers und eventuell sogar an einem festen Arbeitsplatz und jedenfalls nicht ganz überwiegend in deinem eigenen Büro oder deiner Betriebsstätte?
- Du disponierst nicht frei darüber, wann (Zeit), wie lange (Dauer) und wo (Ort) du für deinen Auftraggeber: tätig bist?
- Dein Auftraggeber stellt dir Arbeitsmittel bereit (Mobiltelefon, z.B. mit Firmen-App oder PC/Laptop mit firmenspezifischer Software)?
- Du arbeitest in unbefristeten Projekten (also nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft für deinen Auftraggeber:)?
- Bei Erfüllung deiner Aufgaben ist dein Auftraggeber unmittelbar weisungsbefugt, Projekt- oder Teamleiter erteilen dir Anweisungen?
- Zur Leistungserbringung setzt du deinerseits keine versicherungspflichtigen Beschäftigten ein?
- Du darfst keine Unterbeauftragungen an Freelancer erteilen, um deinen Auftrag zu erfüllen?
- Deine Aufgaben unterscheiden sich nicht von den Tätigkeiten von festangestellten Mitarbeitenden deines Auftraggebers und du erfüllst auch solche Aufgaben, die im Regelbetrieb dessen Arbeitnehmern versehen?
- Du warst früher als angestellter Mitarbeiter bei deinem Auftraggeber oder dessen Tochterunternehmen tätig?
- Du darfst, während du für deinen Auftraggeber tätig bist, keine Aufträge bei anderen Auftraggebern akquirieren und kannst also nicht für weiteres Auftragsvolumen deiner Selbständigkeit sorgen?
- Du bist in einem nicht nur geringen Grad in die Unternehmensorganisation deines Auftraggebers eingebunden, z.B. nimmst du regelmäßig an Meetings teil?
- Du benutzt keine eigenen Visitenkarten, sondern die deines Auftraggebers und auch keine eigene E-Mail-Adresse, sondern eine von deinem Auftraggeber bereitgestellte?
Wenn du viele dieser Fragen mit „Ja“ beantwortest, liegen erste Anhaltspunkte beim ersten kurzen Check zum Vorliegen von Scheinselbständigkeit vor. Entscheidend ist aber das Gesamtbild aller zu würdigen Einzeltatbestände und Umstände, die das Arbeitsverhältnis aufzeigen soll..
Bin ich mit einem Auftraggeber oder einer Auftraggeberin automatisch scheinselbständig?
Nein, mit nur einem Auftraggeber bist du nicht automatisch scheinselbständig. Denn es gibt keinen Automatismus bei Scheinselbständigkeit. Aber Entwarnung ist trotzdem nicht angesagt, da, wie du inzwischen weißt, es auf den konkreten Einzelfall in der Gesamtschau ankommt. Im Umkehrschluss lässt sich nämlich auch nicht sagen, dass, wer für mehrere Auftraggeber arbeitet, automatisch nicht scheinselbständig ist. Denn die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung (DRV) bewertet nur das konkrete Beschäftigungsverhältnis, das dem Antrag zugrunde liegt.
Strafen: Kann man sich strafbar machen mit Scheinselbständigkeit?
Ja, eine Scheinselbstständigkeit zieht laut Gesetz eine Strafe nach sich. Denn § 266a Strafgesetzbuch (StGB) sanktioniert das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt mit Geld- oder Freiheitsstrafe. Da die Pflicht zur ordnungsgemäßen Anmeldung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse sowie zur Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge den Arbeitgeber trifft, ist er der Täter. Der Straftatbestand wird also durch ihn verwirklicht und nicht durch dich. Folglich machst laut Gesetzt nicht du dich bei Scheinselbständigkeit strafbar nach § 266a StGB, sondern dein Auftraggeber. Zwar normiert das StGB nicht, wer Arbeitgeber ist. Nach der Rechtsprechung der Gerichte ist derjenige als Arbeitgeber anzusehen – und damit potenzieller Straftäter nach § 266a StGB –, der oder die eine Person als Arbeitnehmer im Sinne eines Dienstvertrages nach § 611ff. Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) verpflichtet. Wenn dich also dein Auftraggeber abhängig und weisungsgebunden beschäftigt, ist er dein Arbeitgeber. Dabei ist unerheblich, ob dein Auftraggeber eine natürliche oder eine juristische Person ist. Ob du also z. B. für einen Einzelanwalt tätig bist oder für eine Aktiengesellschaft – darauf kommt es hierbei nicht an. Damit du immer auf der sicheren Seite bist, solltest du dich beraten lassen, auch hinsichtlich einer Selbstanzeige bei möglicher Scheinselbstständigkeit.
Folgen einer Scheinselbständigkeit
Die Feststellung einer Scheinselbständigkeit hat verschiedene Auswirkungen ganz unterschiedlicher Natur, nämlich arbeits-, steuer-, sozialversicherungs- und ggf. auch strafrechtliche Folgen, beispielsweise im:
- Sozialversicherungsrecht: Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung (das betrifft sowohl den Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmeranteil)
- Steuerrecht: Nachzahlung der Lohnsteuer (einschließlich der Säumniszuschläge)
- Arbeitsrecht: Änderung des Beschäftigtenverhältnisses – der Arbeitnehmer-Status kann eingeklagt werden, d.h. der oder die Scheinselbständige wird im Erfolgsfall zum sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten mit Urlaubsanspruch, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Kündigungsschutz (auf die Frage der Entlohnung kann hier nicht eingegangen werden)
- Strafrecht: Strafverfahren wegen des Veruntreuens oder Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen
Das Statusfeststellungsverfahrens: So funktioniert die Prüfung
Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) können Selbständige und ihre Auftraggeber das freiwillige Anfrageverfahren bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung (DRV) durchführen. Hier kommt die Initiative also von dir oder/und deinem Auftraggeber – es kann also auch gemeinsam von Auftraggeber und Auftragnehmer beantragt werden. Der beste Zeitpunkt für die Durchführung ist hierbei entweder vor Aufnahme deiner Tätigkeit für deinen Auftraggeber bzw. in deren ersten Monat. Aber das Statusfeststellungsverfahren kann auch im Nachhinein beantragt werden, beispielsweise wenn das Vertragsverhältnis nicht mehr besteht und du nicht mehr für deinen Auftraggeber tätig bist. Auch dann kannst du oder dein Auftraggeber bei der Clearingstelle der DRV in einem Statusfeststellungsverfahren abklären lassen, ob es sich um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gehandelt hat und es sich somit um eine Scheinselbstständigkeit handelt oder nicht.
Wie läuft nun das Statusfeststellungsverfahren im Detail ab?
Bei der Clearingstelle der DRV muss der „Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status“ mit dem Formular V027 schriftlich gestellt und so ein Statusfeststellungsverfahren ins Rollen gebracht werden.
- Für dessen Ausfüllung hat die DRV „Erläuterungen“ im Formular V028 herausgegeben mit Hinweisen zum Verfahren sowie einzureichenden Unterlagen.
- Weiterhin muss auch das Formular C00031, nämlich die “Anlage zum Statusfeststellungsantrag zur Beschreibung des Auftragsverhältnisses“ eingereicht werden.
- Nach Einsendung aller Formulare stellt die DRV entweder weitere Fragen, die schriftlich zu beantworten sind, oder es wird der nächste Schritt, die „Anhörung“ eingeleitet. Hierzu bekommst du ein Schreiben der DRV, in dem sie die beabsichtigte Entscheidung und deren Begründung mitteilt. Das ist die Gelegenheit für dich oder/und deinen Auftraggeber, sich noch einmal zu äußern, bevor die Entscheidung ergeht.
- Wenn also die DRV beabsichtigt, deine Beschäftigung als sozialversicherungspflichtig einzustufen, dann ist hier die letzte Chance, Gegenargumente vorzutragen und gegen das Statusfeststellungsverfahren DRV Einspruch einzulegen.
- Sollte die Clearingstelle der DRV auch nach den „nachgeschobenen“ Argumenten bei ihrer beabsichtigten Entscheidung bleiben und deine Tätigkeit als scheinselbständig einstufen, besteht nur noch die Möglichkeit, binnen eines Monats nach Zustellung des Bescheides Widerspruch einzulegen. Wenn du bis dahin noch keinen auf Scheinselbständigkeit spezialisierten Anwalt zu Rate gezogen hast, ist es jetzt höchste Zeit.
- Du kannst zunächst formlos und ohne Begründung deinen Widerspruch gegen die Anschuldigung der Scheinselbstständigkeit innerhalb der Monatsfrist bei der Clearingstelle der DRV einreichen. Dann aber sollte der von dir beauftragte Anwalt ans Werk gehen und den Widerspruch begründen.
Das Verfahren vor der Clearingstelle der DRV ist übrigens kostenfrei, d.h. es entstehen dir keine Kosten, wenn die Behörde deinen Status prüft. Es fallen aber Kosten an für anwaltliche Beratung, wenn du einen Rechtsanwalt einschaltest, was unbedingt empfehlenswert ist.
Scheinselbständigkeit vermeiden: Was kannst du tun?
Hinsichtlich einer Vergütungsvereinbarung hat das Bundessozialgericht (BSG) geurteilt: Liegt das vertraglich vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers und lässt dadurch eine Eigenvorsorge zu, dann ist dies ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit. Aber Vorsicht: Für sich allein genommen bewirkt eine solche Vergütungsvereinbarung wenig. Es kommt immer auf die Gesamtbewertung aller Umstände an!
Was ist, wenn die Höhe deines vereinbarten Honorars bzw. der Vergütung deutlich über dem Arbeitseinkommen eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – also einem angestellten Mitarbeiter deines Auftraggebers – liegt? Damit ist dir zumindest die Möglichkeit eröffnet, Eigenvorsorge zu betreiben, indem du dich selbst absicherst durch private Altersvorsorge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Aber das ist nur ein Indiz, das gegen Scheinselbständigkeit spricht – entscheidend ist das Gesamtbild und nicht die isolierte Betrachtung der Vergütungs- bzw. Honorarregelung!
Um also Scheinselbständigkeit zu vermeiden, sollte der Vertrag zwischen dir und deinem Auftraggeber einerseits so abgefasst sein, dass jegliche Stolperfallen vermieden werden, die eine Qualifizierung deiner Tätigkeit als scheinselbständig begünstigt. Das Arbeitsverhältnis zwischen deinem Auftraggeber und dir sollte für jeden, auch für Außenstehende, klar ersichtlich sein. Andererseits muss in der täglichen betrieblichen Praxis genau das durch dich und deinen Auftraggeber gelebt werden, was im Vertrag geregelt ist. Es darf also keine Abweichung bestehen zwischen dem, was auf dem Papier steht und dem, was tatsächlich stattfindet! Das gilt für alle getroffenen Regelungen: Von der Weisungsungebundenheit, der Dispositionsfreiheit bei Arbeitszeit und Arbeitsort, dem Verzicht auf Anwesenheitspflicht über die Nichteingliederung in die betriebliche Organisation und bis zur Möglichkeit der Unterbeauftragung von Subunternehmer bzw. Freelancer usw.
Schützen Verträge vor Scheinselbständigkeit?
Ein vom auf Scheinselbständigkeit spezialisierten Anwalt aufgesetzter bzw. geprüfter Vertrag, der die rechtlichen Bedingungen zwischen dir und deinem Auftraggeber beinhaltet, ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Aber es ist eben nur ein erster Schritt und schützt dich nicht vor Scheinselbständigkeit. Denn ein Vertrag, dessen Regelungen in der Praxis (dann so) nicht umgesetzt, nicht gelebt werden und das Arbeitsverhältnis ganz anders ist, ist nichts wert – da kann der Anwalt einen noch so guten Vertrag geschrieben haben. Entscheidend für die Beurteilung, ob Scheinselbständigkeit vorliegt oder nicht, sind die tatsächlichen Verhältnisse. Wenn also in deinem Vertrag steht, dass du dir deine Arbeitszeit frei einteilen kannst, tatsächlich aber immer beim Auftraggeber oder der Auftraggeberin nachfragen musst, wann du für ihn tätig werden darfst und beispielsweise außerdem von dem Arbeitgeber automatisch erfasst wird, wann du für ihn tätig warst, spricht das für eine abhängige Beschäftigung und nicht für eine selbständige. Ideal ist, wenn der Vertrag Raum für zeitliche Flexibilität lässt und z. B. auf Anwesenheitspflicht verzichtet. Natürlich darfst du dann auch nicht jeden Tag vor Ort sein, sonst ist die Vertragsklausel ausgehöhlt durch die tatsächlichen Gegebenheiten, ob es sich bei der Beschäftigung um eine Scheinselbstständigkeit handelt oder nicht!
Dasselbe gilt bei einer vertraglichen Regelung, dass du die Befugnis zu unternehmerischem Handeln hast und selbständig Entscheidungen triffst, aber in Wirklichkeit zuvor bei internen Projektleitern oder -mitarbeitern nachfragen musst bzw. entsprechende Freigaben und Genehmigungen benötigst, um zu arbeiten. Dann bist du in deiner Beschäftigung weisungsgebunden – und das schließt Selbständigkeit aus.
Allergrößte Vorsicht ist bei den Themen Urlaub und Vergütung bei Krankheit geboten: Ein vertraglicher Urlaubsanspruch oder eine Vergütung im Krankheitsfall spricht für eine Scheinselbständigkeit und nicht für eine selbständige Tätigkeit. Denn Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben in der Regel festangestellte Mitarbeiter, aber keine Selbständigen. Als selbständig tätiger Auftragnehmer musst du natürlich Zeiten haben, in denen du nicht für deinen Auftraggeber tätig bist. Aber diese dürfen nicht in Gestalt eines Urlaubs- oder Vergütungsanspruchs im Krankheitsfall daherkommen. Besser ist, Meilensteine im Projekt mit Deadlines für von dir abzuliefernde Zwischenergebnisse zu definieren und diese so zu terminieren, dass urlaubsbedingte Abwesenheiten möglich sind. Natürlich wird niemand geplant krank, aber es macht einen Riesenunterschied, ob Vergütung im Krankheitsfall vertraglich vorgesehen ist oder nicht. Denn es ist kennzeichnend für ein Unternehmerrisiko, dass der Unternehmer – in dem Fall du als selbständig tätiger Auftragnehmer - das Risiko des Verdienstausfalls wegen Krankheit selbst trägst.
Rechtliche Hilfe bei Scheinselbständigkeit: Wo erhalte ich die?
Lass dich von einem auf Scheinselbständigkeit spezialisierten Anwalt am besten schon dann beraten, bevor das „Kind in den Brunnen gefallen ist“. Also nicht erst dann, wenn der Bescheid der Rentenversicherung auf deinem Tisch liegt, der feststellt, dass du scheinselbständig tätig bist. Sondern bereits zu dem Zeitpunkt, an dem du deine Selbständigkeit aufgenommen hast und deine ersten Aufträge anstehen. Mithin dann, bevor du deinen ersten Vertrag mit einem Auftraggeber abgeschlossen hast. Denn die Vertragsgestaltung wird der Anwalt übernehmen mit der Folge, dass keine Klausel in den Vertrag kommt, die eine Gefahr für Scheinselbständigkeit in sich birgt. Verlasse dich also keinesfalls darauf, dir im Internet aus irgendwelchen Vertragsmustern die vermeintlich passenden Klauseln zusammen zu suchen und selbst zu einem Vertrag zusammenzufügen. Das kann nur schief gehen: Denn erstens kennst du gar nicht alle Regelungstatbestände und außerdem müssen die einzelnen vertraglichen Regelungen aufeinander abgestimmt sein und dürfen sich auch nicht widersprechen.
Auch wenn die anwaltliche Beratung Geld kostet, das du vielleicht gerade nicht hast bzw. für andere Dinge benötigst: Das Anwaltshonorar ist gut investiert, da es die Einordnung als Selbständiger – z. B. in einem Statusfeststellungsverfahren – verhindern kann. Allein beim Ausfüllen der Formulare müssen so viele verschiedene Angaben gemacht werden, dass dies am besten in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Rechtsanwalt geschieht. Denn was du da an Angaben machst – vielleicht ohne Kenntnis der rechtlichen Tragweite – kannst du hinterher nicht mehr ungeschehen machen. Dasselbe gilt für den Fall, wenn du das Feststellungsverfahren ohne spezialisierte anwaltliche Hilfe durchgeführt hast und der Bescheid von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) gekommen ist, der dir Scheinselbständigkeit bescheinigt und ein Statusfeststellungsverfahren eingeleitet wird. Begründe den Widerspruch nicht selbst, sondern lasse das durch einen kompetenten Anwalt machen. Erst recht gilt dies, wenn die Scheinselbständigkeit im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestellt wird. Dein Anwalt wird dann nämlich nicht nur mit dem Finanzamt und den Betriebsprüfern kommunizieren, sondern ggf. auch mit den Zollbehörden und der Steuerfahndung, dem Gewerbeamt, der Staatsanwaltschaft sowie mit der DRV und den Beteiligten selbst, nämlich deinem Auftraggeber und dir, um die richtige Strategie anzuwenden. All das kannst du nicht allein, auch nicht im Verbund mit deiner Steuerfachkraft. Der Steuerberater kann zusätzlich hinzugezogen werden, ersetzt aber nicht den auf Scheinselbständigkeit spezialisierten Rechtsanwalt!
Rechtsanwälte bieten sog. Erstberatung an, d.h. du erteilst noch kein Mandat für den Fall des Widerspruchs bzw. der Klage, sondern bekommst, wie der Name sagt, eine „erste Beratung“, in der dein Fall besprochen wird. Das Erstberatungshonorar ist durch den Gesetzgeber auf höchstens 190 Euro netto (also zzgl. MwSt.) normiert – für Privatpersonen. Bei juristischen Personen, z.B. einer GmbH oder UG (haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft), gibt es keine Gebührenbegrenzung für eine Erstberatung auf 190 Euro. Bevor du also einen Termin mit Anwälten machst – egal ob für ein persönliches oder telefonisches Gespräch oder per Chat – frage deshalb bitte nach den Kosten.
Beachte dabei bitte: Die Kosten der Erstberatung hängen nicht davon ab, ob das (direkte oder telefonische) Gespräch mit dem Anwalt oder der Anwältin nur zehn Minuten oder eine Stunde dauert. Die Erstberatungsgebühr fällt an, wenn sich der Anwalt erstmals mit deinem Fall beschäftigt und dir mündlich konkrete Auskunft gibt, also unabhängig von Ort und Zeit.
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