Societas Europaea (SE): Die Rechtsform der Europäischen Gesellschaft

Zwischen Personengesellschaften wie der GbR und Kapitalgesellschaften wie der AG und GmbH gibt es eine Menge Rechtsformen. In diesem Beitrag stellen wir dir eine besondere Rechtsform vor, die es seit noch nicht einmal 20 Jahren gibt: die Societas Europaea – oder kurz: SE. Auch in Deutschland gibt es zahlreiche junge Firmen, die sich für die SE Unternehmensform entschieden haben: beispielsweise Zalando oder HelloFresh. Was die Gesellschaftsform SE genau ist, für wen die Gründung einer SE infrage kommt und welche Voraussetzungen gelten, erfährst du in diesem Beitrag von LEXROCKET.

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Entwicklungsphase
Recht
Finanzen
Gründung
Vier Personen geben sich einen Fausschlag über einem Holztisch, Artikelbild zu Societas Europaea, LEXROCKET Wissen
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Definition

Wie lautet die Definition der SE - Societas Europaea?

Die deutsche Übersetzung von Societas Europaea lautet Europäische Gesellschaft – der Begriff aus dem Lateinischen wird mit SE abgekürzt. Diese Rechtsform ist für Aktiengesellschaften in der Europäischen Union (EU) und im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) vorgesehen.

Die Europäische Gesellschaft SE wurde am 8. Oktober 2001 eingeführt, um die Harmonisierungen im Gesellschaftsrecht voranzutreiben. Damit sollten Unternehmen in EU- und EWR-Ländern wirtschaftliche Tätigkeiten einfacher planen und durchführen können. In Deutschland wurde die Verordnung mithilfe des SEE-Gesetzes am 22. Dezember 2004 realisiert.

Welche Vorteile hat die Gründung einer SE?

Die Europäische Gesellschaftsform SE ist mit einer Aktiengesellschaft vergleichbar. Sie bietet etablierten Unternehmen allerdings einige zusätzliche Vorzüge. Die Vorteile der Societas Europaea sind unter anderem:

Vereinfachte Geschäftsaktivitäten im EU-Ausland

Gründen Unternehmen eine SE Gesellschaft, haben sie die Möglichkeit, als rechtliche Einheit EU-weit aufzutreten und zu handeln. Sie dürfen weiterhin nationale Niederlassungen in europäischen Mitgliedstaaten bilden. Dabei genießen sie jedoch den Vorteil, allesamt denselben Regelungen zu folgen. Bis zur Einführung der SE mussten sie separate Tochterunternehmen gründen, um das Recht des jeweiligen Landes einzuhalten.

Mehr Mobilität in der EU

Entscheiden sich Unternehmen dazu, ihren Sitz innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums zu ändern, ist die Auflösung ihrer EU-Gesellschaft und die Gründung eines neuen Unternehmens nicht notwendig. Voraussetzung aber ist, dass kein laufendes Konkurs-, Liquidations- oder Insolvenzverfahren existiert. Außerdem muss das jeweilige Unternehmen die geplante Verlegung des Firmensitzes zwei Monate vorher ankündigen und die Zustimmung der Aktionäre einholen.

Flexiblere Struktur

Während die Vorschriften für Aktiengesellschaften eine dualistische Struktur aus Vorstand und Aufsichtsrat festsetzen, haben die Kapitalgesellschaften SE zusätzlich die Option einer monistischen Struktur. Diese unterscheidet sich dadurch, dass die Unternehmensleitung allein aus einem Verwaltungsrat besteht, was den Unternehmen hohe Kosten einspart. Zudem ist diese Struktur bei ausländischen Investor:innen, die mit dieser Unternehmensorganisation vertraut sind, beliebt.

Mitbestimmung

Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer:innen in der SE wird in einem Beteiligungsverfahren mit einer Mitbestimmungsvereinbarung zwischen den Arbeitnehmervertreter:innen und der Unternehmensleitung festgelegt. Dafür kommen die beiden Parteien vor der Gründung der SE zusammen. Der Vorteil ist, dass nicht die strengen Regelungen des deutschen Rechts gelten. Hier ist das Mitbestimmungsniveau nämlich an die Arbeitnehmerzahl gekoppelt.

Weitere Tochtergesellschaften

Die Unternehmensform SE beinhaltet zudem noch das Recht, weitere Tochterfirmen, die ebenfalls Europäische Gesellschaften sind, zu gründen.

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Deshalb firmieren sich viele Unternehmen mit knapp unter 500 Beschäftigten um

Das optionale Mitbestimmungsrecht der Europäischen Aktiengesellschaften wird individuell verhandelt. Das ist ein großer Pluspunkt für Unternehmen, jedoch nicht für ihre Mitarbeiter:innen. Zahlreiche AGs firmieren sich häufig vor dem Schwellenwert von 500 Mitarbeiter:innen in eine SE um. Grund dafür ist, dass zuvor und ab dem Zeitpunkt durch die Umwandlung auch danach keine Mitbestimmung im Aufsichtsrat erforderlich ist. Ist ein Unternehmen einmal zur SE geworden, spielt das nachträgliche Wachstum keine Rolle mehr.

Voraussetzungen für die Gründung einer SE

Stehst du mit deinem Start-up noch in den Startlöchern, kommt die Gründung einer SE für dich aktuell wahrscheinlich noch nicht infrage. Es gibt nämlich konkrete Voraussetzungen, um eine SE zu gründen, die du zu Beginn mit Sicherheit noch nicht erfüllen können wirst:

  • Juristische Personen: Die Unternehmensform SE darf nicht von natürlichen Personen gewählt werden. Ausschließlich juristische Personen sind dazu berechtigt; in Deutschland also eine GmbH oder AG. Außerdem muss jede Europäische Gesellschaft den Namenszusatz SE tragen.
  • Bezug zum EU-Ausland: Für die Gründung einer SE ist eine bestehende wirtschaftliche Verbindung zu anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaaten zwingend notwendig. Konkret bedeutet das, dass ein Unternehmen sich mit einer anderen europäischen Firma vereint oder es dort bereits eigene Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen hat. Diese Verbindungen müssen seit mindestens zwei Jahren bestehen.
  • Mindestkapital: Das Mindestkapital einer SE muss 120.000 Euro betragen. Die Summe übersteigt im Wesentlichen das geforderte Kapital einer AG, das bei 50.000 Euro liegt, und ebenso die 25.000 €, wenn man eine GmbH gründen möchte.
  • Sitz und Hauptverwaltung im selben EU-Land: Des Weiteren sind SEs dazu verpflichtet, ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung im selben EU-Land zu haben. Gründet sich eine SE in Deutschland, muss sie zusätzlich im deutschen Handelsregister eingetragen sein. Demnach sind Gesellschaften in Ländern aus der EU und in Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) dazu berechtigt, eine SE zu gründen.
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So umschiffen einige Gesellschaften Voraussetzungen

In der Praxis werden die genannten Voraussetzungen oft mit sogenannten Shelf Companies (auf Deutsch: Vorratsgesellschaften) umgangen. Das sind Unternehmen, die nur als Hülle fungieren und keine eigenen Geschäftsaktivitäten betreiben. Diese Shelf Companies können an beliebige Unternehmen verkauft werden, die die Voraussetzungen einer SE selbst nicht erfüllen – diese Vorschriften gelten nämlich nur bei Gründung und nicht beim Kauf.

Die vier Gründungsvarianten einer SE

Sind die Voraussetzungen für die SE Unternehmensform erfüllt, haben Unternehmen vier Optionen, um eine SE offiziell zu gründen:

  • Verschmelzung: Zwei Aktiengesellschaften können zu einer SE fusionieren, wenn sie aus zwei unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten stammen. Bei mehreren Gesellschaften müssen mindestens zwei Unternehmen einen Mehrstaatenbezug besitzen, also ebenfalls wenigstens aus zwei verschiedenen Mitgliedsstaaten kommen.
  • Umwandlung: Unternehmen, die seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft in der EU oder im EWR haben, dürfen sich in eine SE umwandeln.
  • Holding: Möchten zwei Unternehmen nicht miteinander verschmelzen oder gänzlich umwandeln, besteht die Option, eine Holding zu bilden. Voraussetzung dafür ist, dass sie ebenfalls seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben.
  • Tochtergesellschaft: Schließlich ist auch die Gründung einer Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat unter den gleichen Voraussetzungen einer Holding möglich.

Hat ein Unternehmen eine der vier Optionen gewählt, muss es die geforderten Informationen wie Name, Datum, Sitz und Tätigkeitsbereich einreichen. Im Anschluss werden diese Angaben im Amtsblatt der Europäischen Union publiziert.

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Diese Regelungen gelten bei der Besteuerung

Bei einer SE gelten die Besteuerungsregelungen von Kapitalgesellschaften. Daher müssen Europäische Gesellschaften Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer zahlen. Im Falle eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen zwei Ländern wird der Gewinn einer SE nur in dem jeweiligen Sitzland besteuert.

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